Sonntag, November 20, 2005

Geschwindigkeit vs. Beherrschbarkeit

Die Standish-Group rechnet uns in ihrem CHAOS-Report regelmäßig vor, wie schlecht es um die Softwareentwicklung als Industriezweig steht: Termine werden nur selten eingehalten, Budgets maßlos überschritten und die gelieferte Funktionalität ist unpassend.
Allen ist seit Jahrzehnten klar: "Wir müssen was tun". Ebenfalls schon lange ist klar: "Wir müssen schneller werden!" So rufen es Entwickler und IT-Manager ins Marktgetümmel und die kommerziellen und nicht-kommerziellen Hersteller antworten: "MDA, MDSD, Spring, Hibernate, JSF, SOA, etc.". Die einschlägigen IT-Konferenzen sind voll mit diesen Themen. Diese Technologien werden uns retten. Oder doch nicht? Was haben uns denn die Technologien gebracht, die vor wenigen Jahren als Heilsbringer verkauft wurden (CASE, Software-Factories, Java, etc.)? Ich will nicht behaupten, dass diese Technologien oder ihre aktuellen Hype-Nachfolger keine positiven Effekte hatten. Bezogen auf die Kriterien der Standish-Group lässt sich aber kein nennenswerter Fortschritt ausmachen.
Wenn man genauer hinsieht, bemängelt der CHAOS-Report auch gar nicht, dass wir zu langsam arbeiten. Kritisiert wird, dass wir unsere Projekte nicht beherrschen. Softwareprojekte wissen häufig bereits kurze Zeit nach dem Kick-Off nicht mehr, wo sie stehen. Davon, eine vernünftige Prognose für die Zukunft zu haben, können diese Projekte nur träumen.
Naja, aber immerhin dürften die neuen Technologien auch nicht schaden. Nein? Doch! Die Einführung einer neuen Technologie oder Vorgehensweise bringt immer Instabilität. Eine neue Technologie in ein instabiles Projekt einzuführen, macht das Projekt also nicht stabiler, sondern instabiler.
Folglich sollten neue Technologien immer nur auf der Basis eines stabilen Projektes eingeführt werden. Die Einführung muss dann aktiv begleitet werden, um nach der unausweichlichen Instabilität schnell wieder in stabiles Fahrwasser zu kommen.
Langer Rede kurzer Sinn: Beherrschbarkeit kommt vor Geschwindigkeit.

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